„Metaller schreiten stets voran – Streikbrecher bleiben Untertan“

In Espenhain streiken die Beschäftigten eines Recyclingunternehmens seit nun mehr als 100 Tagen. Ich habe sie zum Streikjubiläum besucht.

„Metaller schreiten stets voran – Streikbrecher bleiben Untertan“

In den Tonnen der IG Metall brennt ein Feuer vor der Mülldeponie. Seit 100 Tagen streiken die Beschäftigten bei SRW Metalfloat in Espenhain bei Leipzig. Es ist ein unbefristeter Erzwingungstreik, denn die Kolleginnen und Kollegen, die hier im Schichtbetrieb arbeiten, tun dies knapp oberhalb des Mindestlohns und ringen um einen Tarifvertrag.

Mit einer kleinen Delegation sächsischer Genossinnen und Genossen besuchen wir die Belegschaft, die draußen vor dem Werkstor bei Kuchen und Würstchen denn 100. Streiktag begehen. Die Stimmung ist gut, es sind um die 100 der insgesamt 180 Mitarbeiter.

Seit 10 Jahren warte man hier auf einen Tarifvertrag, der die Löhne an den Westlohn angleichen und die Arbeitsstunden von 41 auf 38 Stunden herunterregulieren soll.

„Die Schrottpreise sind hochgegangen, aber beim Lohn gab‘s kein Update“, fasst ein Kollege es zusammen.

Sie streben eine Lohnsteigerung von acht Prozent an. 2013 wurde hier der Betriebsrat gegründet, bei einer Umfrage im Jahr 2023 wurde dann mit deutlicher Mehrheit für Warnstreiks und nun den Erzwingungsstreik gestimmt. Die Zeit war mehr als reif.

Die Sortierer am Werk erhalten gerade einmal 13,50 Euro, sie arbeiten in drei Schichten. „Die Leute hält es hier nur durch die Nachtschicht“, sagt ein Kollege, da es bei dieser Zulagen gibt. Diese sind zwar steuerfrei, doch werden nicht auf die Rente angerechnet. Er fügt also hinzu: „Das dicke Ende kommt am Schluss“. Die Altersarmut ist hier bei vielen vorprogrammiert, und das trotz körperlich belastender Schichtarbeit.

Zum Streikjubiläum kommt auch ein Kollege aus Sachsen-Anhalt von Vestas. Dort wurden ebenfalls 123 Tage für einen Tarifvertrag gestreikt. „Ich bin da nicht stolz drauf“, sagt der Kollege, „aber die Arbeitgeber müssen verstehen, was sie an euch haben. Und wenn ihr 200 Tage streikt“. Begeisterung bei den Beschäftigten von SRW.

Streikende mit gelben Westen stehen um eine Feuertonne herum.

Immer wieder fahren weiter LKWs an dem Streikzelt vorbei, denn die Fahrer sind bei einem anderen Unternehmen angestellt und können deshalb nicht mitstreiken. Der Betrieb läuft also weiter. Das auch wegen der Streikbrecher, die nach ihrem Dienst durch das Tor laufen. Auf einem Banner steht: „Metaller schreiten stets voran – Streikbrecher bleiben Untertan“. Auch der Kollege von Vestas berichtet von einigen, die erst spät überzeugt werden konnten und dann aber umso standhafter gewesen seien. Arbeitskampf ist eben kein Mechanismus, der ab einem bestimmten Lohn einsetzt: das Klassenbewusstsein muss erarbeitet und organisiert werden.

Gewerkschaftlicher Aufbruch

Wie in Espenhain streiken auch an anderen Orten im Osten unermüdlich Beschäftigte für eine angemessene Angleichung ihres Lohns. Etwa die Beschäftigten des ÖPNV, die in Magdeburg, Halle, Dessau und im Burgendlandkreis den Verkehr Anfang dieser Woche lahmlegten. Oder die andauernden Streikt im Handel und bei den Supermarktketten. Aber auch bei den Mineralwasserherstellern oder anderen Betrieben, die von der NGG Ost organisiert werden. Überall geht es darum, einerseits für Respekt und eine Angleichung des Lohns an Westniveau und damit oberhalb der Armutsschwelle zu erstreiken, andererseits aber auch um Entlastungen. Für den Osten bedeutet diese neue Streikbereitschaft auch eine Möglichkeit des Aufbruchs.

Ines Schwerdtner und ein Arbeiter schauen gemeinsam in eine schwarze Box.

Dass es nach über 30 Jahren immer noch so große Lohnunterschiede zwischen Ost und West gibt, ist eben nicht nur ein Problem der gewerkschaftlichen Organisierung, sondern auch ein politisches Problem, das sich in einer großen Wut und auch Skepsis gegenüber den demokratischen Institutionen ausdrückt.

Wer sich jahrzehntelang als Mensch zweiter Klasse fühlt, hat nicht den Eindruck, dass sich durch die Parteien etwas daran ändert. Umso wichtiger ist die Organisierung der eigenen Interessen und die Möglichkeit, sich selbst Rechte zu erstreiken, statt darum betteln zu müssen.

Für die Linke ist es ein Auftrag, ihren Kampf zu bestärken und mit ihnen gemeinsam für Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. 

Deshalb kommt zum gewerkschaftlichen Aufbruch Ost der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft am 2.-3. März in Leipzig! Der Ratschlag bringt Aktive aus Betrieb, Gewerkschaft und Partei zusammen. Ich würde mich freuen, euch dort zu sehen!