Zu Besuch bei der Volkswerft in Stralsund

Die Treuhand bescherte der traditionsreichen Volkswerft Insolvenz um Insolvenz. Nun erwarb die Stadt Stralsund das Gelände – und es besteht wieder Hoffnung.

Zu Besuch bei der Volkswerft in Stralsund
Vor der riesigen Werfthalle in Stralsund. Bild: Olaf Krostitz

Eine ganz besondere Station auf der Ost-Tour war in der vergangenen Woche der Besuch der „Volkswerft“ in Stralsund. Dort war ich mit Genossinnen und Genossen des Stadtverbands Stralsund.

Einst volkseigener Betrieb mit tausenden Beschäftigten, wurde auch die Volkswerft nach der Wende in die Treuhandanstalt überführt. Es folgte die Privatisierung, über die Jahre wechselte die traditionsreiche Werft zahlreich den Eigentümer, Insolvenz reihte sich an Insolvenz, zuletzt wurde auch der Name „Volkswerft“ gestrichen und durch „MV Werft“ ersetzt.

Bild: Olaf Krostitz

2022 jedoch erwarb die Stadt Stralsund infolge der Corona-Pandemie und erneuter Insolvenz das Werftgelände. Seitdem sind einige Unternehmen als Pächter ansässig. Unter anderem der Schiffsreparaturbetrieb und der Recycling-Betrieb, den wir besuchten. Würden die Krane einwandfrei funktionieren, könnten noch viel mehr Schiffe auf der Werft repariert werden. In einem Jahr könnte man 40 statt 12 Schiffen reparieren, so der Unternehmer. Und auch das „grüne Recycling“ des Stahls alter Schiffe könnte schneller gehen, wenn geltende EU-Verordnungen hier schneller umgesetzt werden.

Das zeigt: für die ostdeutsche Industrie und Logistik ist die Werft immer noch von großer Bedeutung. Nun da sie wieder der Stadt gehört, könnten öffentliche Investitionen endlich wieder für die Stabilität in der Region sorgen, die die Werft und ihre Mitarbeiter verdient haben. Jahrzehntelang wurde die Werft an unterschiedliche Unternehmen verscherbelt, auf Kosten der Substanz. 

Dass die Volkswerft nun wieder in öffentlichem Eigentum ist, bedeutet auch eine Chance, wenn investiert und die Werft selbst instand gehalten wird.

So können auch zukunftsträchtige Technologien angewandt und langfristig geplant werden, statt sich von Eigentümerschaft zu Eigentümerschaft ohne Garantien zu hangeln.

Ein rotes und weißes Boot mit dem Wort "Freundschaft" darauf.
Das Schulschiff „Freundschaft“ in Stralsund. Bild: Olaf Krostitz

Für viele Ostdeutsche bedeutet die Werft nicht nur Industrie und Arbeitsplätze, sie ist auch ein Symbol. Wer wie ich als Kind bereits gefühlt tausend Mal auf dem zum Ostseeurlaub an ihr vorbeigefahren ist, oder auf dem Schulschiff der „Freundschaft“ war, wer die Hansesail besucht hat, verbindet die Werft und die gesamte Region eben auch mit der Faszination des Meeres und der Verbindung zu Welt.

Man versteht es erst richtig, wenn man dort ist und mit Menschen wie Wolfgang spricht, die Jahre auf einem Schiff oder an der Werft verbracht. Er nimmt seit Jahrzehnten Fotos von den Schiffen aus aller Welt auf, die in der Werft gebaut oder repariert werden.

Ein Mann Mitte bis Ende 50 mit Brille, Funktionsjacke und einer Kapitänsmütze mit Anker.
Wolfgang hat Jahre auf einem Schiff oder an der Werft verbracht. Bild: Olaf Krostitz

Es ist mehr als Industriestandort, den es zu erhalten gilt. Das sind Menschen und ihre Lebensgeschichten und ihre Identität.

Zumindest nennt sie sich jetzt wieder „Volkswerft“.